Der Ball rollt in der Schweiz, die Frauen-EM 2025 soll zum großen Erfolg für den internationalen Frauen-Fußball werden. Dabei zeigt sich vor allem eines: Die Professionalisierung des Sports ist in vielen Nationen rasant vorangeschritten und die lang gültige, deutsche Vorherrschaft gehört der Geschichte an.
Nichtsdestotrotz steigt die DFB-Auswahl als Rekord-Europameister in die Frauen-EM 2025 ein. Doch welche Ziele sind realistisch und kann das Team von Bundestrainer Christian Wück den hohen Erwartungen standhalten? Vor dem Beginn des Turniers hat DER WESTEN mit ZDF-Moderator Sven Voss unter anderem über das DFB-Team und die Europameisterschaft der Frauen gesprochen.
Frauen-EM 2025: Schweiz als „stolzer Gastgeber“
DER WESTEN: Die EM der Frauen steht in den Startlöchern – wie groß ist Ihre Vorfreude?
Sven Voss: Wir können uns auf ein großartiges Turnier freuen. Der Fußball der Frauen hat sich weiterentwickelt und sammelt immer mehr Fans ein. Und da das Turnier in der Schweiz stattfindet, werden auch die Fans aus den Nachbarländern dorthin kommen.
Denkst du, dass das Turnier ein Erfolg wird?
Ich vergleiche es mit dem EM-Turnier 2017 in den Niederlanden. Es geht nicht darum, große Stadien um jeden Preis voll zubekommen, sondern darum, dass sich die Begeisterung entwickelt, wenn die besten Mannschaften Europas dort aufeinandertreffen. Die Schweiz hat eine Frauenfußball-Tradition und Bock auf Fußball-Turniere.
Als stolzer Gastgeber werden sie alles tun, dass in den Stadien eine gute Stimmung ist. Und das Land liegt in der Mitte Europas – da werden viele Fans aus Italien, Frankreich und Deutschland sagen: Da fahren wir mal schnell über die Grenze und schauen uns ein Spiel an, wenn wir ein Ticket bekommen.

Was spielt noch eine Rolle?
Die wichtigste Zutat ist der Fußball selbst. Der Fußball der Frauen hat sich rasant entwickelt und ist jetzt an einem Punkt angelangt, an dem sich sagen lässt: Da kann man sich auch schon in der Vorrunde auf richtig gute Spiele freuen. Da sind keine Mannschaften mehr dabei, die chancenlos sind. Es spielt mit Spanien der Weltmeister bei diesem Turnier, Deutschland hat auch schon viele Titel gewonnen, es gibt Geheimfavoriten und vieles mehr.
Die Dominanz der deutschen Frauen ist vorbei. Wie siehst du diese Entwicklung, gerade auch im internationalen Frauenfußball?
Der Fußball hat sich unglaublich entwickelt und andere Länder haben aufgeholt. Es investieren nicht mehr nur die großen Fußballnationen in den Frauenfußball. Die Professionalisierung ist gestiegen und deswegen das Niveau insgesamt höher.
Aber wenn Deutschland bei einem Turnier antritt, dann muss das Ziel das Finale sein. Das ist auch diesmal so: Die deutschen Fußballerinnen wollen gewinnen und müssen dafür zeigen, dass sie wieder an die Top-Nationen wie England und Spanien herangerückt sind.
Bei der letzten WM gab es das Aus in der Gruppenphase. Was ist bei dem Turnier entscheidend? Was kann den Erfolg ausmachen für die deutsche Mannschaft?
Die EM ist sogar noch kniffliger als die WM: Die Qualität im Fußball der Frauen ist in Europa noch dichter. Deswegen wird es für die Deutschen schwierig, einfach mal so locker ins Halbfinale zu laufen. Man muss in der Gruppe das Spiel gegen Polen gewinnen, um dann auch einigermaßen entspannt gegen die vermeintlich stärkeren Teams aus Dänemark und Schweden zu spielen. Es wird sich schon in der Gruppenphase zeigen, ob sich der Spielstil von Bundestrainer Christian Wück durchsetzt. Ich bin erstaunt, wie sich dieser Spielstil bereits etabliert hat. Ob er für das Turnier taugt, werden wir sehen.
Sport steht bei Klub-WM „nicht unbedingt im Vordergrund“
Wenn wir eben von diesen Fußballfesten sprechen, dann ist es bislang Normalität gewesen, dass ein großes Turnier im Sommer stattfindet. Die Jahre ohne EM oder WM der Herren gehören eigentlich den Frauen. Jetzt grätscht die FIFA mit der Klub-WM der Männer dazwischen. Wie ist deine Meinung dazu?
Das ist fast schon ein politisches Thema. Nicht nur Fans in Deutschland sind zwiegespalten, sondern auch Funktionäre und Klubs. Ich gönne es Borussia Dortmund und Bayern München, dass sie bei der Klub-WM dabei sind. Aber wir anderen haben daran keinen richtigen Anteil. Das ZDF hat sich auch deshalb nicht um die Übertragungsrechte beworben.
+++„Irrelevant“, „Kirmespokal“: heftige Kritik an Klub-WM+++
Es ist ein sehr kommerzieller Wettbewerb, bei dem das Sportliche nicht unbedingt im Vordergrund steht. Die Fußball-EM der Frauen ist geradezu ein Gegenentwurf zu dieser überdimensionierten Klub-WM: Dort findet alles auf einer Entwicklungsebene statt, die man nachvollziehen kann.
Ist der Markt irgendwann vielleicht auch übersättigt, wenn jetzt noch so ein großes Turnier kommt?
Ich bin Sportjournalist und mich interessiert der Fußball. Doch die Übersättigung ist nicht zu übersehen. Man kann jeden Tag mindestens ein Live-Spiel irgendwo schauen – und bekommt jedes Mal signalisiert, dass das jetzt aber ein sehr wichtiges Spiel ist, das man nicht verpassen darf. Genauso ist es mit den Wettbewerben, weswegen mit Blick auf die Klub-WM viele sagen: Das interessiert mich nicht mehr.
Da konzentriere ich mich viel mehr auf die greifbaren Wettbewerbe – den DFB-Pokal, die erste, zweite und dritte Liga. Die finden hier um mich herum statt. Da habe ich das Gefühl, hier spielt mein Verein oder es gibt ein Derby hier in der Nachbarschaft, das hat für mich Relevanz.
„Weltmeisterqualität“ bei Basketball-EM
Du hast selber gespielt, deswegen erlaubst du mir vielleicht noch ein, zwei Fragen zur Basketball-EM im Sommer. Die steht auch an. Wie wirst du denn das Turnier verfolgen?
Ich freue mich sehr darauf, dass dieses Turnier stattfindet – und ich habe Bock drauf, dass die deutsche Nationalmannschaft dort in Bestbesetzung aufläuft. Ich bin sehr gespannt, ob neben Dennis Schröder, den Wagner-Brüdern und Daniel Theiss auch ein Isaiah Hartenstein mit dabei ist.
Mein Wunsch ist, dass Deutschland da mit seiner Weltmeisterqualität aufläuft, ins Halbfinale kommt oder vielleicht sogar den Titel gewinnt. Zumindest ist es sehr spannend, auch mit einem neuen Trainer. Ich werde es verfolgen. Wir werden es leider im ZDF nicht übertragen, aber natürlich schaue ich es mir an.
Deutschland ist der amtierenden Weltmeister. Druck ist da. Wie siehst du die Chancen und die generelle Entwicklung im DBB über die letzten Jahre?
Als ich angefangen habe, mich für Basketball zu interessieren, spielten die Nationalspieler meist in der Bundesliga. Da gab es mit Detlef Schrempf einen, der in den USA gespielt hat. Und der hatte dann auch eigentlich nie Zeit für die Nationalmannschaft. Dann kam irgendwann die Nowitzki-Ära: Da gab es dann diesen einen herausragenden Basketballer, der auch noch ein herausragender Mensch war. Ich habe mir über Jahrzehnte immer gewünscht, dass mein Sport weiter nach vorne kommt – und plötzlich ist es so weit.
Jetzt spielen fünf, sechs deutsche Spieler in der NBA – und die nächsten kommen schon wieder nach. Und es gibt eine großartige Nationalmannschaft mit Spielern, die stolz sind, dass sie dieses Trikot für Deutschland tragen. Und es kommt ein WM-Titel dabei heraus, vorher ein dritter Platz bei der EM, nachher ein Halbfinale bei Olympia. Das ist schon unglaublich. Das hätte ich damals nie gedacht, aber ich finde es echt klasse. Mein Sohn hat mit Fußball aufgehört und spielt jetzt Basketball.