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Berliner Paar macht Tabu-Job – doch dieser Stundenlohn kann sich sehen lassen

Über kaum eine Branche ist so wenig bekannt wie ihre. Doch jetzt lüftet ein Pärchen das Geheimnis. So sieht ihr ungewöhnlicher Traumjob aus!

© BERLIN LIVE/Enzo Broszio

So viel verdient eine Domina - Let's talk about cash

Es ist das älteste Gewerbe der Welt, doch wenn man einmal im Bekanntenkreis herumfragt, hat ihre Dienste angeblich noch nie jemand in Anspruch genommen. Die Rede ist von Sexarbeitern. Sie werden mit Menschen intim und überschreiten Schwellen, die für viele undenkbar wären.

Die Branche wird oft mit zwielichtigen Hinterzimmern oder -männern verbunden. Und ohne Zweifel, das gibt es. Doch Sexarbeit ist mehr als das. Für viele ist es auch Selbstbestimmung, die Erfüllung von eigenen und fremden Fantasien – und gleichzeitig eine wirklich gut bezahlte Tätigkeit. Das zeigen Christina Wessendorf und Neal Bruewer.

Die beiden Berliner sind ein Paar – und arbeiten gemeinsam in einer Branche, über die nur wenig bekannt ist. Gegenüber BERLIN LIVE haben sie den Vorhang gelüftet – und dabei auch über das Gehalt gesprochen.

Berlin: Vom Büro-Job ins BDSM-Studio

Bis vor wenigen Jahren war Neal Bruewer aus Berlin noch in der Tech-Branche tätig, als Unternehmensberater und Vertriebler. Der Job bedeutete für ihn vor allem eines: Stress. Innerhalb von nur zehn Jahren hatte er zwei Burnouts – und mit ihnen die Erkenntnis, „dass es so nicht weitergehen kann“. Ein Ventil musste her und so fing er an, sein Hobby zum Beruf zu machen. Ähnlich erging das auch seiner Partnerin Christina Wessendorf.


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Zu Beginn ihrer, wie sie es selbst nennt, „sexuellen Reise“ wollte sie sich als Stripperin ausprobieren. Das gefiel ihr sehr und so ging sie noch einen Schritt weiter: erst als Escort-Dame, mittlerweile als Domina, Erotik-Darstellerin und Organisatorin von einschlägigen Events.

„Es gibt viele Männer, die loslassen wollen“

„Ich liebe es, nicht nur meine Leidenschaft zu teilen, sondern auch die Leidenschaft der Gäste“, erklärt Bruewer im Gespräch mit BERLIN LIVE. Für ihn sei es unfassbar schön, zu sehen, wie sehr er seine Gäste durch seine Arbeit emotional berührt. „Das geht direkt ins Herz.“ Denn oft wenden sich Menschen an sie, die Begierden haben, die sie an anderer Stelle nicht ausleben können oder – aufgrund vor Stigmatisierung – nicht ausleben wollen. „Das sind sehr berührende Telefonate mit Männern, die endlich das machen wollen, was sie sich noch nie getraut haben“, pflichtet seine Partnerin bei. „Es gibt viele Männer, die loslassen wollen. Vom ständig männlich sein, ständig Recht haben und ständig Entscheidungen treffen müssen.“

Christina Wessendorf liebt es, in ihrem Job die tiefsten Sehnsüchte ihrer Gäste zu erfüllen. Foto: BERLIN LIVE/Enzo Broszio

Eine besondere Rolle spielen dabei allerdings immer auch Grenzen. Grenzen in der Beziehung, Grenzen in der Dienstleistung, Grenzen in der Moral. Dass jemand in dieser Branche überhaupt eine Beziehung habe, sei selten, meint Wessendorf. Für viele ist die Vorstellung, dass der Partner mit einer anderen Person schläft, unerträglich. „Wir können darüber beim Abendessen sprechen. Genauso wie andere Pärchen, die sich abends über ihren Arbeitstag unterhalten auch.“ Allerdings haben die beiden klare Linien gezogen, die mit Gästen nicht überschritten werden – zum Schutze der Beziehung.

Zwar machen die beiden generell „alles“ mit ihren Kunden, doch kleine Tabus haben auch sie. Das betrifft auch ethische Fragen. Bruewer: „Jeder hat seine Limits, jeder hat seine Praktiken.“

So viel verdienen Sexarbeiter

Und ihre Praktiken sind selten der bloße Akt. „Keine Session ist wie die andere“, erklärt Christina Wessendorf, die ihren Gästen als „Raphaela Morning“ bekannt ist. Hinter jeder steht daher viel Planung – und vor allem intensive Vorgespräche. Besonders in der Welt von Lack und Leder ist das aus ihrer Sicht unerlässlich. „Wir machen nur Sessions, bei denen der Gast vorher festlegt, was er will“, so die junge Frau. „Konsens ist das A und O“, ergänzt ihr Partner. Daher nehmen E-Mails und Erstgespräche etwa 40 Prozent ihrer Arbeitszeit in Anspruch. Im Anschluss machen sie sich dann an die kreative Planung des „Spiels“.

Dieser Aufwand spiegelt sich auch im Stundenlohn der beiden Berliner. Für 60 Minuten nehmen sie 300 Euro. Wessendorf ist sichtlich dankbar, dass ihre Dienste so gut bezahlt werden. Und auch ihr Partner ist sehr glücklich über den Verdienst. Dennoch merkt er an: „Es ist gut und definitiv besser als damals als Unternehmensberater oder im Vertrieb. Aber da ist Luft nach oben.“ Besonders die viele Zeit im Home Office sieht er hier als Knackpunkt.

Neal Bruewer („Master Samael“) arbeitete zunächst acht Jahre nebenberuflich als Sexarbeiter. Mittlerweile hat er seinen alten Job aufgegeben und arbeitet Vollzeit in der Branche. Foto: BERLIN LIVE/Enzo Broszio

Nicht zuletzt deshalb gründen die beiden derzeit ein eigenes Start-up: „5iFet“. Das ist ein Bot, „den man einstellen kann, um die Erstkommunikation zu übernehmen“. Die Technologie soll dafür sorgen, „dass Sexarbeiter effizienter arbeiten können“, so Neal Bruewer. Und so können langfristig auch sie davon profitieren.

„Wir hatten Glück“

Insgesamt verdienen die beiden aktuell zusammen 2.700 Euro brutto. Christina Wessendorf: „Das ist weniger als wir verdienen könnten, aber wir nehmen gerade viel Zeit für die Gründung in Anspruch.“ Aufgrund ihrer sehr geringen Miete ist das für sie finanziell im Moment zwar eine Einschränkung, aber eine vertretbare:

Gehalt brutto (gemeinsam)2700 Euro
Gehalt netto1805 Euro
Miete470 Euro
Lebensmittel400
Freizeit50 Euro
Spenden5 Euro
Mobilität200 Euro
Versicherungen 500 Euro
Haushalt180 Euro

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„Für Berliner Verhältnisse ist das unbegreiflich“, meint Bruewer. „Vor sieben Jahren haben wir diese Wohnung gefunden und komplett Glück gehabt, dass wir sie übernehmen konnten.“ Und so können sie es sich nun leisten, ihren Traum zu leben – miteinander aber auch gemeinsam mit ihren Gästen.


Das Thema Geld ist in Deutschland intim. Offen über das eigene Gehalt zu sprechen ist für viele ein Tabu. Zu groß ist die Angst vor Neid oder gar missbilligenden Blicken durch das Gegenüber. BERLIN LIVE hat Menschen getroffen, die ganz offen über ihre finanzielle Situation sprechen. Hier liest du mehr.