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Berliner verunsichert: Miese Masche? Wenn die „Stadtwerke“ an der Haustür klingeln

Auch in Berlin waren einige Menschen zuletzt mehr als irritiert, als an der Haustür plötzlich Mitarbeiter der „Stadtwerke“ vor ihnen standen.

Elektriker spricht mit einer Frau an ihrer Haustür.
© imago/Markus van Offern

True Crime Berlin

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Viele Berliner erhalten an ihrer Haustür derzeit Besuch von Personen, die sich als Mitarbeiter der Stadtwerke zu erkennen geben. Nach dem Besuch sind viele Menschen irritiert: Wurden sie hier etwa Opfer einer miesen Masche? Der Reihe nach.

Auch bei mir zuhause im Südwesten von Berlin klingelt es neulich. Als ich die Wohnungstür öffne, grüßt mich im Hausflur ein junger Mann in Elektriker-Kleidung. Er stellt sich flüchtig vor und meint, er sei „von den Stadtwerken“. Anschließend macht er mich darauf aufmerksam, dass mein Stromanbieter vor Kurzem den Preis auf mehr als 40 Cent pro kWh angehoben hätte. „Wir wollen einfach nur sicherstellen, dass Sie den Ihnen zugesicherten Preis von 32 Cent pro kWh zahlen“, meint er.

Besuch der „Stadtwerke“ an Berliner Haustüren

Der Strompreis, den ich aktuell zahle, sei unverantwortlich, sagt der Mann. Daraufhin wirft er mit vielen Fachbegriffen um sich, mit denen er mir wohl erklären möchte, warum der Strom bei meinem aktuellen Anbieter so teuer sei. Immer wieder betont er, er wolle lediglich dafür sorgen, dass ich nicht mehr zahle als ich muss.

Der Mann fragt mich, ob es für mich okay sei, dass ich künftig deutlich weniger für meinen Strom zahle. Dann will er meine Adresse wissen, „um die Strompreis-Senkung in die Wege leiten zu können“, wie er es formuliert. Das finde ich äußerst seltsam. Warum muss ich ihm meine Adresse erst noch nennen? Er befindet sich doch gerade an meiner Wohnungstür.

Und so werde ich stutzig, weil für mich zunächst nicht ersichtlich wurde, warum der junge Mann den weiten Weg für diesen persönlichen Besuch auf sich nahm. Sind die Berliner Stadtwerke tatsächlich so altruistisch, dass sie höchstpersönlich prüfen wollen, ob die Menschen in der Hauptstadt einen angemessenen Strompreis zahlen?

Elektriker spricht mit einer Frau an ihrer Haustür.
In Berlin erhielten viele Menschen an der Haustür zuletzt unerwarteten Besuch der Stadtwerke Krefeld (Symbolbild). Foto: imago/Markus van Offern

Was machen die Stadtwerke Krefeld in Berlin?

Was erst nach einiger Zeit klar wird: Der Mann ist gar kein Mitarbeiter von den Berliner Stadtwerken, sondern ein Vertriebler im Auftrag der Stadtwerke Krefeld (SWK). Dass er für die Stadtwerke des rund 500 Kilometer entfernten Orts in Nordrhein-Westfalen arbeitet, hatte er bei seiner Begrüßung nicht erwähnt. Nicht Altruismus ist der Grund für seinen Besuch, sondern Kundenakquise.


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Erst jetzt wird mir bewusst, dass der junge Mann mir einen Stromvertrag bei einem anderen Anbieter unterjubeln will. Von einem Stromanbieter-Wechsel war zuvor nie die Rede. Ich fühle mich von dem Vertriebler getäuscht und beende das Gespräch umgehend.

Doch das Gespräch lässt mich auch danach nicht los. Seit vielen Jahren berichten unsere Redaktionen über Verbraucher-Themen, und ich frage mich: Wenn schon jemand mit einer gewissen Affinität für Verbraucherschutz nicht sofort die Masche dieses Haustürgeschäfts erkennt – wie muss es dann erst Menschen gehen, die für solche Themen nicht derart sensibilisiert sind?

INFO: So solltest du dich bei unerwarteten Haustürgeschäften verhalten

Lasse niemals einen unangemeldeten Vertreter in deine Wohn- oder Kellerräume.

Gib keine Daten weiter – wie z.B. Angaben zu aktuellen Verträgen, Stromzähler-Nummer oder Bankdaten.

Lasse dich niemals unter Druck setzen. Seriöse Anbieter würden nie aggressiv auf einen sofortigen Vertragsabschluss drängen

Unterschreibe keine Verträge sofort an der Haustür. Stattdessen solltest du in solchen Situationen um Bedenkzeit bitten.

Stadtwerke Krefeld klingeln an Berliner Haustür

Ich möchte mehr in Erfahrung bringen über das Unternehmen SWK und seine Praktiken. Als ich in der Suchmaschine „Stadtwerke Krefeld“ eingebe, ist der erste Vorschlag zur Vervollständigung der Suchanfrage: „Stadtwerke Krefeld Haustür Berlin“. Offensichtlich wurden auch vor mir bereits viele andere Menschen in Berlin durch Besuche der Vertriebler verunsichert und wollten sich über die SWK informieren.

Sofort stoße ich bei meiner Suche auf einige Warnhinweise in Verbraucherschutz-Foren, auf Beiträge in sozialen Medien und auf Artikel anderer Lokalmedien, die in den vergangenen Jahren über die Haustürgeschäfte der SWK berichtet hatten. So schildert ein Verbraucher in diesem vielfach geteilten und kommentierten Beitrag bei Reddit, ein Vertriebler im Auftrag der SWK habe sich auch bei ihm als Mitarbeiter der „Stadtwerke“ zu erkennen gegeben. „Stadtwerke, ich würde gerne ihren Gaszählerstand ablesen“, soll der Mann zur Begrüßung gesagt haben. Auch den Stromzähler wolle er ablesen.

Nach Ablesen der Zählerstande habe er gesagt: „Ich bräuchte Ihren Namen und Ihre Telefonnummer und hier eine Unterschrift, dass Sie meinen Ausweis gesehen haben.“

Ärgerliche Kündigung beim bisherigen Stromanbieter

Der Name auf dem Ausweis sei in sehr kleiner Schrift abgebildet gewesen. Und auch das Logo der Firma sei ungewöhnlich klein gewesen. Der Verbraucher unterschrieb. Erst später wurde ihm klar, dass er wohl etwas voreilig gehandelt hatte. Nachdem er in Erfahrung gebracht hatte, dass er einen Stromanbieter-Wechsel zu den Stadtwerken Krefeld unterschrieben hatte, setzte er sich sofort mit den SWK in Verbindung und wollte den Vertrag widerrufen.

Doch wenige Tage später erhielt er den Vertrag per Post. Das Ärgerliche: Im Vertrag hätte es geheißen, der Verbraucher habe mit seiner Unterschrift die SWK „bevollmächtigt, in Ihrem Namen die Kündigung bei Ihrem bisherigen Energielieferanten unwiderruflich auszusprechen. Diese Kündigung kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.“ Und so musste er sich erst mal wieder nach einem neuen Stromanbieter umsehen.


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Plötzlich Kunde bei den Stadtwerken Krefeld

Auch in diesem Reddit-Beitrag schildert ein Verbraucher aus Berlin ähnliche Erfahrungen. Bei ihm waren es mangelnde Deutsch-Kenntnisse, die ihm und seiner Partnerin so manche Probleme bescherten. Erneut hätte ein Mann sich lediglich als Mitarbeiter der „Stadtwerke“ vorgestellt, schildert er in englischer Sprache. Weil Nachbarn sich über den Stromverbrauch im Haus beschwert hätten, wolle der vermeintliche Mitarbeiter der Berliner Stadtwerke die Stromrechnungen des Paares einsehen und den Stromzähler ablesen. Anschließend teilte der Mann dem Paar mit, er könne ihnen einen Stromvertrag zu günstigeren Konditionen anbieten.

Daraufhin teilte das Paar dem Mann mit, man könne ihnen gerne ein schriftliches Angebot schicken, das die beiden sich in Ruhe anschauen würden. Die Reaktion des Mannes: Er bräuchte eine Unterschrift als Bestätigung dafür, dass man dem Paar ein Angebot schicken darf.

Am nächsten Morgen folgte der große Schock. Das Paar erhielt eine Email ihres bisherigen Stromanbieters, der die Kündigung bestätigte. Sofort riefen sie bei ihrem bisherigen Anbieter an. Dort wurde ihnen mitgeteilt, dass sie Opfer einer miesen Masche wurden. Durch die Angabe ihrer Vertragsnummer hätten die Stadtwerke Krefeld den Vertrag beim bisherigen Anbieter kündigen können. „Die Mitarbeiterin meines Stromanbieters meinte am Telefon zu mir, ich hätte jetzt einen Vertrag bei den Stadtwerken Krefeld“, so der Autor des Reddit-Beitrags entsetzt.

SWK seriös, Vertriebler nicht?

Unter den beiden genannten Reddit-Beiträgen finden sich mehrere Kommentare, in denen andere Verbraucher von ähnlichen Erfahrungen mit den Stadtwerken Krefeld berichten. Gleichzeitig gibt es aber auch Kommentare, bei denen Verbraucher feststellen, dass die Schuld hierbei nicht zwingend direkt bei den SWK läge. „Ich war selbst mal Kunde bei den SWK, der Laden selbst ist seriös“, schreibt ein Nutzer, der hier eher die Vertriebler in der Verantwortung sieht. Dies sieht ein anderer Nutzer ähnlich und kommentiert drastisch: „Vertreter sind echt eine Landplage.“

Ob die in den Reddit-Beiträgen beschriebenen Fälle sich tatsächlich zugetragen haben, können wir nicht unabhängig überprüfen. Doch die Schilderungen klingen realistisch und decken sich mit meiner persönlichen Erfahrung sowie mit den Erfahrungen einiger Verbraucher, die in den vergangenen Jahren mit anderen Lokalmedien gesprochen hatten.


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SWK: Beschwerden aus ganz Deutschland

So berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ bereits im Jahr 2022 von Strom-Kunden in München, die ungewollt zu den Stadtwerken Krefeld gewechselt waren. In dem Bericht schildert eine Dame im Alter von Mitte 70, auch bei ihr hätte ein Mann sich lediglich als „Mitarbeiter der Stadtwerke“ vorgestellt. Er wolle nur den Zählerstand ablesen und wissen, wie hoch der Stromverbrauch der Dame sei.

Ihren Stromanbieter habe sie gar nicht wechseln wollen. Dies hatte sie dem Mann auch klar mitgeteilt. Unterschrieben hatte sie nichts. Und doch hatte dieser anschließend mit den Daten den Stromanbieter-Wechsel eingeleitet. Die Dame war schockiert, als sie wenige Tage später ein Schreiben der SWK mit der Bestätigung des Wechsels erhielt.

Zwei Jahre zuvor hatte auch die „Rheinische Post“ den eigenwilligen Weg der Kundenakquise durch die Stadtwerke Krefeld zum Thema gemacht. Ein SWK-Sprecher hatte schon damals gegenüber der „RP“ zugegeben, dass es unter den Vertrieblern „auch schwarze Schafe“ gebe, „die an der Haustür klingelten und unter einem Vorwand versuchten, Zutritt zu erlangen oder den Bewohner unter Druck setzten, wenn dieser kein Gespräch führen wolle“.

In einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ aus dem Sommer 2024 ging es um Verbraucher aus dem Raum Hannover, die sich durch Vertriebler im Auftrag der SWK hinters Licht geführt fühlten. Sie waren plötzlich Kunden der Stadtwerke Krefeld, ohne dass sie ihren Stromanbieter hätten wechseln wollen. Andere Stadtwerke wie die in Kiel, Berlin oder Wunstorf bei Hannover prangerten das Abwerben von Kunden (auch durch die Stadtwerke Kiel) ebenfalls an – auch wenn die Kritik dieser Mitbewerber nicht ganz uneigennützig sein mag.


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Negative Erlebnisse nur eine Ausnahme?

Was sagen die Stadtwerke Krefeld zu dieser Kritik? Auf Nachfrage teilt uns ein Sprecher mit: „Mit unseren vertrieblichen Aktivitäten insbesondere über unsere Vertriebspartner haben wir bundesweit allein im Jahr 2025 hochrechnet über 1,5 Millionen Kundenkontakte an der Haustür. Nur in wenigen Ausnahmefällen kommt es dabei auch zu negativen Erlebnissen.“

Die SWK arbeiten bei dieser Form der Kundenakquise mit externen Vertriebspartnern. Deren Mitarbeiter werden durch die Stadtwerke Krefeld geschult. „Sollte es trotz unserer erheblichen Maßnahmen in Einzelfällen zu einer schlechten Erfahrung im Rahmen einer persönlichen Kundenberatung mit unseren Produkten kommen, können wir Ihnen zusichern, dass wir diesen zur Überprüfung umgehend nachgehen und im Bedarfsfall nachsteuern“, so der SWK-Sprecher auf Nachfrage von BERLIN LIVE: „Ist es tatsächlich zu einem nachweislichen Fehlverhalten durch den Berater gekommen, ergreifen wir Gegenmaßnahmen, die bis zum dauerhaften Ausschluss für eine Vermarktung unserer Produkte führen.“

Der Sprecher der Stadtwerke Krefeld stellt fest: „Wir akzeptieren keinerlei unlautere Aussagen oder unseriöses Vorgehen. Für uns hat ein positives Beratungserlebnis höchste Priorität. Denn „versehentlich“ abgeschlossene Verträge machen den Kunden und auch uns nur Arbeit, keine Freude.“

Stadtwerke Krefeld und die Kritik

Die SWK nähmen Kritik ernst und würden Maßnahmen einleiten, um solche Fehler in Zukunft erst gar nicht aufkommen zu lassen. „Wir haben beispielsweise kürzlich zusätzlich eine Qualitätskontrolle entwickelt, die bei unseren Vertriebspartnern im Haustürvertrieb Anwendung findet“, erklärt der SWK-Sprecher: „Wir gehen hierbei mit abschlusswilligen Kunden Punkt für Punkt eine separate Checkliste durch, aus der mehrfach hervorgeht, dass es sich bei dem Vertragsabschluss um einen Anbieterwechsel zur SWK ENERGIE GmbH handelt. Diese Qualitätskontrolle wird zusätzlich unterschrieben. Das gibt eine zusätzliche Sicherheit für die Kunden, aber auch für uns als Energieversorger.“

Und weiter: „Wir führen auch Nachbefragungen durch, um direkt von unseren Kunden zu erfahren, ob sie mit dem Beratungserlebnis zufrieden waren. Im Falle von Auffälligkeiten haben wir so die Möglichkeit sofortige Maßnahmen zu veranlassen.“

Trotz dieser Bemühungen um qualitativ hochwertige Beratung kommt es immer wieder zu Missverständnissen. Um diesen aus dem Weg zu gehen, sollten Berlinerinnen und Berliner bei Haustürgeschäften stets besonders wachsam sein.

Wenn auch du zur Zielscheibe von aggressiven Vertrieblern wirst und Hilfe brauchst, kannst du dich bei der Verbraucherzentrale Berlin beraten lassen.