Ende Februar wurde Kathrin Herrmann, die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, freigestellt – ein Schritt, der für mediale Aufmerksamkeit sorgte. Sie erfolgte ohne Begründung und während ihres Urlaubs. Herrmann stellte daraufhin umgehend einen Eilantrag beim Arbeitsgericht, um ihre Tätigkeit wieder aufnehmen zu können.
Wie das „Neue Deutschland“ (ND) berichtete, gingen der Freistellung vier Abmahnungen voraus, die Herrmann im Januar zeitgleich erhalten haben soll. Der „Tagesspiegel“ ergänzte, dass sich die Abmahnungen auf Sachverhalte beziehen sollen, die teils bereits ein Dreivierteljahr zurückliegen. Weiter hatten ND und „Tagesspiegel“ übereinstimmend berichtet, dass bereits vor den Abmahnungen ein Kündigungsverfahren eingeleitet worden sein soll, dem sich der Personalrat entgegengestellt habe. Die Senatsverwaltung für Justiz äußerte sich gegenüber BERLIN LIVE nicht zu den Personalvorgängen.
Mitte Februar hatte Herrmann juristische Schritte gegen die vier gleichzeitig ausgesprochenen Abmahnungen eingeleitet. Zwei Wochen später wurde sie während ihres Urlaubs vom Dienst freigestellt. Im März fand, wie in arbeitsgerichtlichen Verfahren üblich, ein Gütetermin statt. Dabei schlug die Richterin eine außergerichtliche Mediation vor, der beide Seiten zustimmten. Sollte diese scheitern, wird das Verfahren vor dem Arbeitsgericht fortgesetzt.
Was bedeutet Freistellung für den Tierschutz?
Bis zu einer Gerichtsentscheidung oder einer außergerichtlichen Einigung mit der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz darf Herrmann ihre Tätigkeit nicht ausüben. Seit Ende Februar hat das Land Berlin daher keine Landestierschutzbeauftragte. Was bedeutet das für den Tierschutz? BERLIN LIVE hat bei Doreen Rothe vom Stadttaubenprojekt Berlin e.V. nachgefragt.
„Es geht nicht mehr voran“, sagt die Tierschützerin rückblickend auf die Zeit seit Februar 2025. „Tierschutz ist ohnehin ein Thema, wo die Dinge lange dauern, jetzt geht eigentlich gar nichts mehr.“
Ein Beispiel: Der Pilot-Taubenschlag in Marzahn-Hellersdorf kann bislang nicht in Betrieb genommen werden, da die bereits zugesagten Mittel für ein notwendiges Sicherheitskonzept weiterhin ausstehen. Herrmann hatte sich vor ihrer Freistellung dafür eingesetzt, dass die dringend benötigten Gelder aus dem Budget der Stabsstelle zügig freigeben werden – entsprechende Gespräche mit den Beteiligten hatte sie bereits geführt. Obwohl der Taubenschlag Ende 2024 feierlich eröffnet wurde, konnten bislang keine Tauben einziehen. Grund sind ausstehende Umbauten, die nicht nur der Sicherheit dienen, sondern auch dafür sorgen sollen, dass der Schlag von den Tieren besser angenommen wird.
Seit Herrmanns Freistellung beobachtet Rothe auch in anderen Bereichen einen generellen Stillstand. So hätten seither keine Fortbildungsveranstaltungen mehr stattgefunden, die Herrmann regelmäßig rund zweimal monatlich organisierte und die laut Rothe entscheidend zur Prävention von Tierleid beitrugen. Auch das angekündigte Konzept zum Umgang mit eingeschlossenen Tieren – etwa auf Baustellen – sei nicht weiterbearbeitet worden.
Die Berliner Justizverwaltung erklärt gegenüber BERLIN LIVE hingegen: Die Aufgaben der Landestierschutzbeauftragten würden weiterhin von den Mitarbeitenden ihrer Stabsstelle übernommen. Zudem unterstütze die Abteilung V, die für den Verbraucherschutz zuständig ist, die Arbeit der Stabsstelle.
Tierschützerin Rothe äußert Sorge
Rothe hat das jedoch anders wahrgenommen und betont darüber hinaus, dass es nicht nur die letzten Monate seien, die ihr Sorgen bereiteten, sondern die Gesamtsituation rund um die Position der Landestierschutzbeauftragten: Die massiven Kürzungen im Budget, die zunehmenden Beschränkungen ihrer Arbeit als Leiterin einer eigentlich unabhängigen Stabsstelle und nun die jüngste Entbindung von ihren Aufgaben. Deshalb hat Rothe im März bereits einen Offenen Brief gegen die Freistellung von Kathrin Herrmann unterzeichnet. Darin heißt es, Herrmann habe „den Tierschutz in Berlin maßgeblich geprägt“. Die Unterzeichner, zu denen u.a. Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder, Dr. iur. Christoph Maisack von der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht und eben auch Rothe gehören, fordern die umgehende Wiedereinsetzung von Herrmann.
Für Rothe ist die Freistellung jedenfalls schwierig nachzuvollziehen. „Frau Herrmann macht sehr gute Arbeit für die Tiere, aber auch für die Stadt“, sagt sie und verweist dabei auf das Populationsmanagement bei den Waschbären – oder auch für ihren eigenen Bereich: das Taubenmanagement. Viele Bezirke hätten positiv auf das Konzept von Kathrin Herrmann reagiert. Dass dieses nun überarbeitet werden soll, beobachtet Rothe mit Sorge.
Gegenüber BERLIN LIVE erklärte Tierschützerin Rothe zudem, dass sie befürchte, dass es bei der Freistellung gar nicht um die Arbeit von Kathrin Herrmann gehe, sondern, dass „unbequeme Stimmen nicht gewünscht sind“. Dabei sei es ihrer Ansicht nach die Aufgabe von Beauftragten – wie unter anderem der Tierschutzbeauftragten –, sich unabhängig von politischen Konstellationen äußern zu können.
Unabhängigkeit als Knackpunkt
Doch gerade diese Unabhängigkeit wurde im vergangenen Jahr zum Knackpunkt zwischen der Landestierschutzbeauftragten und der Justizverwaltung. Als Kathrin Herrmann ihre Stelle im Jahr 2020 antrat, konnte sie fachlich weisungsfrei agieren und eine eigene Pressearbeit machen. Letztere gehört laut der offiziellen Aufgabenbeschreibung auf der berlin.de-Webseite ausdrücklich zum Tätigkeitsbereich der Landestierschutzbeauftragten – ebenso wie die fachliche Unabhängigkeit. Bis vor wenigen Wochen war dort noch zu lesen: „Die Landestierschutzbeauftragte ist fachaufsichtlich weisungsfrei und betreibt eine eigenständige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.“ In der Justizverwaltung sieht man das inzwischen anders: Aus ihrer Sicht sei die Landestierschutzbeauftragte „weder politisch unabhängig noch fachaufsichtlich weisungsfrei“.
Rothe schaut entsprechend skeptisch in die Zukunft. „Das Thema Tierschutz scheint bei der aktuellen Regierung kein allzu hohes Ansehen zu haben“, sagt sie. Die systematische Aushöhlung der Landestierschutzbeauftragtenstelle sei ein deutliches Zeichen – aber nur ein Teil eines umfassenderen Tierschutzkahlschlags. Auch das Berliner Tierschutzverbandsklagegesetz sei zunehmend in Gefahr. Ende Januar 2025 fand im Abgeordnetenhaus eine Anhörung zu Aufwand und Nutzen des Gesetzes statt. Zwar kamen auch Tierschutzverbände zu Wort, doch Gehör fanden vor allem Vertreter der tierexperimentellen Forschung, die das Gesetz als hinderlich kritisierten.
„Wer sich an geltendes Recht hält, hat durch das Verbandsklagerecht nichts zu befürchten“, sagt Rothe. Das Gesetz verleiht Tieren eine Stimme vor Gericht – und ist aus Sicht von Tierschützern unverzichtbar, um dem strukturellen Vollzugsdefizit im Tierschutz etwas entgegenzusetzen.