Wie soll es weitergehen? Diese Frage stellt sich das Berliner Gefangenentheater „aufBruch“ gerade fast täglich. Seit mehr als 25 Jahren setzt sich das Team rund um Gründer Holger Syrbe, Regisseur Peter Atanassow und Produktionsleiterin Sibylle Arndt dafür ein, mit einem Ensemble aus Inhaftierten ein Theaterstück auf die Beine zu stellen.
Kurz vor dem Jahreswechsel 2024/25 dann die Schocknachricht: Der Berliner Justizhaushalt wurde gekürzt. Damit stehen auch dem Theaterprojekt deutlich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung. Bedeutet das etwa Abbruch statt aufBruch?
Berliner Gefangenentheater bangt um Existenz
„Wir sind in einer ganz, ganz schwierigen Situation“, stellte Holger Syrbe kurz vor der Premiere des diesjährigen Theaterstücks (Shakespeares „Titus Andronicus“) gegenüber BERLIN LIVE klar. Zwar werde das Projekt, welches enorm viel zur Resozialisierung beiträgt, durch verschiedene Mittel finanziert – zum Großteil jedoch durch den Justizhaushalt: „Die haben uns eingekürzt, um 70 Prozent in diesem Jahr!“

Große Umplanung vorprogrammiert. „Wir haben natürlich einen relativ kleinen Etat und machen damit viel, aber damit haben sie uns schon wirklich ein richtiges Standbein weggeschlagen“, erläuterte Syrbe weiter. Um das Gefangenentheater überhaupt auf die Bühne zu bringen, bedarf es komplexer Prozesse. „Letztendlich sind wir für alles, was wir machen, hier auch selbst verantwortlich“, erklärte der aufBruch-Gründer.
Berliner Regisseur betont: „Begreifen, dass sie das nur zusammen können“
Dazu zähle beispielsweise sowohl die Anmeldung sämtlicher Gegenstände, die in die jeweilige Anstalt gebracht werden, als auch der Aufwand für Proben, Werbung und Ticketverkauf. Was natürlich ebenso wenig fehlen darf: die Schauspieler selbst. „Wir nehmen jeden, der es zu uns schafft, egal was er für Voraussetzungen mitbringt. Dann versuchen wir ihm entsprechend in der Inszenierung eine Rolle zu geben, die er auch bewältigen kann und an der er vielleicht auch ein Stück wachsen kann“, verriet Regisseur Peter Atanassow im Gespräch mit unserer Redaktion.
Über die diesjährige Truppe könne er nur Gutes berichten. Dabei komme es besonders auf die Zusammenarbeit mit und zwischen den Inhaftierten an. „Manchmal gibt es auch eine Auseinandersetzung, aber das ist auch ganz gut. Manchmal braucht es auch so ein Gewitter. Ich glaube schon, dass sie aber begreifen, dass sie das nur zusammen können“, betonte der Schauspiel-Experte.
Berliner Theaterproduktion legt wichtigen Grundstein
Wie das Gefangenentheater inklusive aller Proben, der Premiere und den weiteren Aufführungen die Straftäter hinter Gittern beeinflussen kann, darüber hat BERLIN LIVE bereits berichtet. „Hier sind das eben sehr spezifische Probleme, die die Spieler mit in die Probe bringen. Diese Probleme, die Menschen haben, die hier im Gefängnis sind, die kriegst du natürlich nie ganz raus“, stellte Atanassow klar.
Doch was zählt, ist nicht zu übersehen: Bei „aufBruch“ werden die Inhaftierten nicht nur gehört, sondern in die Gesellschaft integriert – ein Theaterprojekt „als Denkanstoß für individuelle Reflektion und als Ausgangspunkt für eine respektvolle Begegnung zwischen Straftätern und der übrigen Bevölkerung“. Eine Möglichkeit, die durch die Einsparungen im Berliner Haushalt wegfallen würde.
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„Wir hoffen natürlich, dass wir durch die Qualität und die Wichtigkeit der Arbeit irgendwie überzeugen – und, dass wir genügend Förderung und Unterstützer finden, die dieses Projekt weitertragen, weil ich glaube, es hat schon eine große Gesellschaftsbedeutung“, so Syrbe gegenüber BERLIN LIVE. Eine Petition wurde bereits gestartet und auch ein Spendenkonto ist eingerichtet.
Wer sich höchstpersönlich vom Freiluftgefangenentheater „aufBruch“ in der JVA Tegel (Seidelstraße 39, 13507 Berlin) überzeugen lassen möchte: Die Aufführungen finden am 6., 11., 12., 13., 17., 19., 20., 25., 26. und 27. Juni statt. Beginn ist jeweils um 17.30 Uhr – letzter Einlass ist um 17 Uhr. Tickets sind nur im Vorverkauf online unter shop.gefaengnistheater.de oder an der Kasse der Volksbühne erhältlich (18 Euro, ermäßigt 12 Euro).