Die Gewaltkriminalität in Deutschland steigt immer weiter an. Das beweist auch die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2024: Bei mehr als 200.000 registrierten Fällen wurde in rund 16.000 Fällen auch zum Messer gegriffen.
Während sich die Bevölkerung bestenfalls in Sicherheit bringen kann, haben Einsatzkräfte keine andere Wahl: Sie müssen der fremden Person mit dem Messer gegenübertreten, um Schlimmeres zu verhindern. Dabei werden die Beamtinnen und Beamten oftmals selbst mit der Waffe bedroht oder gar angegriffen. Dabei stellt sich die Frage: Ist die Berliner Polizei überhaupt für Messerangriffe jeglicher Art gewappnet?
Berliner Polizeikräfte müssen jährlich zum Schießstand
„Sie haben als letztes Mittel ihre Schusswaffe zur Verfügung“, stellte Ex-SEK-Beamte Karsten Loest im Gespräch mit BERLIN LIVE klar. Doch sich damit zu verteidigen sei noch immer leichter gesagt als getan. Der Grund? Laut des früheren Teamführers einer Einsatzgruppe fehle es bei der Berliner Polizei oftmals an der notwendigen Übung: „Schießen ist eine Übungssache. Beim einen oder anderen kommt noch Talent dazu.“ Das Training am Schießstand falle jedoch gering aus.
Während sich Karsten Loest in der Zeit beim Spezialeinsatzkommando an rund 500 Schuss pro Tag erinnern könne, hätten die Kollegen im Streifendienst deutlich weniger Munition verschossen. Auf Nachfrage von BERLIN LIVE bestätigte die Polizei eine Anzahl im knapp dreistelligen Bereich. Zudem müssen Dienstkräfte „jährlich mindestens ein Schießtraining mit der Basisbewaffnung (Pistole und Maschinenpistole) verpflichtend und dokumentiert absolvieren“, wie Polizei-Pressesprecherin Anja Dierschke erklärte.
Beamte müssen „in Bruchteilen von Sekunden“ Entscheidung treffen
Wenn es nach Loest geht, gibt es viel zu wenig Training: „Jeder der in einem privaten Schützenverein ist, der lacht sich tot darüber.“ Innerhalb der Behörde sehe man das etwas anders: „Der Umfang des Jahresschießtrainings wurde in den vergangenen Jahren quantitativ deutlich erhöht, wobei zusätzlich die Schusszahl in der Trainingsverpflichtung für alle Dienstkräfte der Polizei Berlin gesteigert wurde.“ Neben entsprechender Schutzkleidung im Dienst würde man mittlerweile auch vermehrt Seminare anbieten, die „den Schwerpunkt des Erkennens und der Abwehr von Angriffen mit Stichwaffen“ beinhalten.
Ex-SEK-Beamte Karsten Loest bleibt trotzdem bei seiner Meinung: „Der normale Einsatzbeamte, der wird in der Regel nicht in der Lage sein, jemanden mit einem Messer gefahrlos zu entwaffnen.“ Ohnehin sei das Gegenüber in den meisten Fällen auch nicht ahnungslos, wie es mit einem Messer umzugehen hat. Hinzu komme der Faktor Zeit: „Wir haben in Bruchteilen von Sekunden als Polizist eine Entscheidung zu treffen.“
Schusswaffe oder doch lieber der Taser?
Neben der Schusswaffe steht den Einsatzkräften der Polizei in derartigen Situationen allerdings auch noch das Distanzelektroimpulsgerät – kurz gesagt, der Taser – zur Wahl. Berlin besitzt davon über 250 Exemplare für sämtliche stadtweite Abschnitte und Einheiten. „Für die Gewährleistung einer dauerhaften stadtweiten Verfügbarkeit durch ausgebildetes Personal, wurden inzwischen circa 2.000 Dienstkräfte ausgebildet, was bei allen Dienstbereichen mehrfache personelle Redundanzen ermöglicht“, so Dierschke gegenüber unserer Redaktion.
Mehr News:
Weil es allerdings noch Lücken in der Schulung des Personals gibt, muss offenbar doch als letztes Mittel auf die Schusswaffe zurückgegriffen werden. „Ich bin schon froh, wenn die Kollegen in einer solchen Situation treffen und damit sich selbst und andere schützen – und bin aber auch erschrocken, wie viel Kritik den Kollegen immer entgegenschlägt, weil sie vielleicht nicht die Beine getroffen haben, sondern es einen tödlichen Treffer gab“, verriet Karsten Loest gegenüber BERLIN LIVE.
Infolgedessen sollte sich ein Großteil der Bevölkerung auch bewusst werden, dass einige Aktionen lediglich in Filmszenen umsetzbar seien, nicht aber der Realität entsprechen. Es ist eben doch nicht alles Hollywood!