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Brennpunkt Berlin: Streetworker spricht Klartext – so schwer wird es Menschen auf der Straße gemacht 

In Berlin leben zahlreiche Menschen ohne Dach über dem Kopf – der Weg zurück in die Gesellschaft ist schwer…

Brennpunkt Berlin
© IMAGO/Rolf Kremming

Miete in Berlin: Wohnen wird immer teurer

Berlin war mal ein gutes Pflaster für günstige Mieten. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Seit dem Jahr 2012 haben sich die durchschnittlichen Wohnungspreise in der Hauptstadt von 6,65 Euro pro Quadratmeter auf 12,92 Euro pro Quadratmeter verdoppelt.

2022 wurden in Berlin rund 2.000 Obdachlose gezählt, die im Freien oder in Notunterkünften übernachten. Zusätzlich kommen laut Schätzungen 55.000 wohnungslose Menschen hinzu, die kein eigenes Dach über dem Kopf haben. Die Dunkelziffer liegt vermutlich weit höher.

Das wohl größte Problem: Der Schritt zurück in ein geregeltes Leben inmitten der Gesellschaft. Dieser Weg wird den Menschen auf der Straße nämlich alles andere als leicht gemacht, wie ein Streetworker anprangert.

Brennpunkt Berlin: Streetworker deckt Problem auf

„Sie können den gesellschaftlichen Anforderungen gar nicht gerecht werden. Gerade die, die auf der Straße sind und schon lange abhängig“, erklärt Juri Schaffranek vom Verein Gangway Berlin, im Gespräch mit BERLIN LIVE. Zwar könnte man meinen, dass der Staat genügend Hilfe anbiete, jedoch warte an diesem Punkt bereits das nächste Problem.

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In all den Jahren als Streetworker bekam Juri Schaffranek schon einiges zu Gesicht. Credit: Berlin Live / Wengert

„Die meisten von ihnen haben ja gar keine Meldeadresse, können sich nirgends anmelden und erhalten dadurch einige Hilfen gar nicht. Auch ein Konto bei der Bank ist unmöglich“, erläutert Schaffranek den nicht endenden Teufelskreis. Sollte in einzelnen Fällen doch mal eine Meldeadresse vorhanden sein, dann mangele es den Betroffenen am Wissen, die entsprechenden Anträge auszufüllen oder Hilfen zu beantragen.

Brennpunkt Berlin: „So jemanden möchte niemand haben“

Der Weg zum Arzt dürfte die nächste große Hürde sein. „In einer Arztpraxis fliegen sie direkt hochkant raus, weil so jemanden möchte niemand dort haben. Sie haben auch keine Krankenversicherung, also bleibt ihnen dann nur die Notaufnahme“, stellt Schaffranek klar.

Einige Menschen auf der Straße sehen damit nur noch eine Möglichkeit, wie der Streetworker erläutert: „Da versucht man sich dann eben mit dem aktuellen Tagesgeschäft auf der Straße über Wasser zu halten.“

Brennpunkt Berlin: Staat muss Perspektiven bieten

Tatsächliche Unterstützung erhalten die Personen erst dann, wenn sie etwas in ihrem Leben verändern möchten. „Das ist aber schwer. Wenn man sein halbes Leben gewöhnt ist, in der Szene zu leben, dort kennt man sich aus und dann kommt jemand, der sagt, man soll alles hinter sich lassen und das komplette Umfeld vergessen – und welche Perspektiven kann man ihm dafür bieten?“, sagt Schaffranek.


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Einzig und allein der Platz in einem Wohnheim würde einige Betroffene noch nicht davon überzeugen können, ihr bisheriges Leben inklusive Umfeld hinter sich zu lassen. Der Streetworker hat eine bessere Idee: den Menschen vernünftige Jobs als Alternative anbieten, die nicht unter dem Mindestlohn liegen.

Brennpunkt Berlin: Job führt zu geregeltem Leben

„Aber nicht sofort verlangen, dass sie dafür drogenfrei werden müssen. Dann hätten sie wenigstens mal eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“, schlägt Schaffranek vor. Durch einen geregelten Tagesablauf könne man anschließend auch Schritt für Schritt das Suchtproblem in den Griff bekommen.