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Clans in Berlin: Wissenschaftler zu arabischen Großfamilien – „Doppelt ausgegrenzt“

Clans in Berlin halten nicht nur die Polizei auf Trab, sie sind auch ein Teil der Popkultur. Forscher wollen das Phänomen nun verstehen.

Clans in Berlin
© IMAGO/Olaf Wagner

Clans in Berlin: Diese Großfamilien halten die Polizei auf Trab

Wer an Berlin denkt, der denkt ans Brandenburger Tor, ans Olympia-Stadion, ans Berghain – und ganz sicher auch an arabische Clans. Die sind durch Arafat Abou-Chakers frühere Verbindung zu Bushido, aber auch durch Serien wie „4 Blocks“ längst Teil unserer Popkultur. Und auch in der Realität sorgen Mitglieder von arabischen Großfamilien mit spektakulären Überfällen, wie dem auf das Grüne Gewölbe in Dresden, immer wieder für Aufsehen.

In Berlin bestimmen Mitglieder mehrerer Familien die Organisierte Kriminalität. Es geht um Überfälle, Schutzgeld, Drogen. Entsprechend heiß wird das Thema diskutiert. Immer wieder werden in der Debatte harte Strafen gefordert. Zuletzt lag sogar ein Vorschlag auf dem Tisch, dass ohne Nachweis einer Straftat abgeschoben werden sollte. Doch es gibt auch andere Ansätze, die darauf abzielen, arabische Clans als Phänomen zu verstehen. Und zu versuchen herauszufinden, wieso Familienmitglieder in die Kriminalität gehen.

Clans in Berlin: Unis und Polizei untersuchen Phänomen

Einer, der das untersucht ist Robert Pelzer. Der ist Kriminologe an der TU Berlin und Teil des Forschungsverbunds KONTEST. Der untersucht seit September 2020 verschiedene Aspekte von Kriminalität in und Stigmatisierung von arabischsprachigen Großfamilien. Daran beteiligt sind sieben universitäre und polizeiliche Verbundpartner.

+++ „4 Blocks“-Star wünscht sich Fortsetzung der Serie – unter dieser Bedingung +++

Pelzer ist dabei für das Thema „Biographien und Lebenswelt“ verantwortlich. Dazu haben er und sein Team zehn qualitative Tiefen-Interviews geführt. Ihre Gesprächspartner aus arabischen Clans hatten sie durch Flyer in Moscheen oder Shisha-Bars gewonnen. Sieben der zehn Personen waren bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zudem wurden Akten der Staatsanwaltschaft analysiert und mit weiteren Menschen aus der Community gesprochen.

„Doppelt ausgegrenzt und stigmatisiert“

Dabei zeichnete sich laut Pelzer ein Bild, dass Angehörige aus arabischen Großfamilien „doppelt ausgegrenzt und stigmatisiert“ werden. Sie seien zum einen durch ihre sichtbare arabische Migrationsgeschichte von Alltagsrassismus betroffen. Zum anderen würden sie wegen ihres Familiennamens in eine Schublade gesteckt. Das beginne häufig bei Mitschülern, aber auch bei Lehrern. Pelzer: „Die Stigmatisierung als Angehöriger eines vermeintlich ‚kriminellen Clan‘ wirkt sich negativ auf individuelle Entfaltungsmöglichkeiten aus.“

Faktoren, die die Teilnahme an kriminellen Handlungen begünstigen können, finden sich einige bei den Mitgliedern der Großfamilien. Da gehe es um prekäre soziale Bedingungen, um die negativen Auswirkungen des Duldungsstatus. Auch Fluchterfahrungen und traumatische Erlebnisse wurden laut Pelzer geschildert. Zudem zeigten sich Probleme in der Schule, die dazu führten, dass viele keinen Schulabschluss erreichten. Und: „Auch zeigt sich, dass Gewalt oft schon in jungen Jahren auf der Straße, aber auch in den Familien als eine Form der Konfliktlösung erlernt wird.“

Mitglieder von Clans haben negative Erfahrungen mit der Polizei

Pelzer erklärt, dass viele negative Erfahrungen mit der Polizei haben. Viele nehmen es so wahr, dass sie aufgrund ihres Äußeren oder ihres Nachnamens häufiger kontrolliert und härter behandelt werden. Zudem kritisiert Pelzer auch die Verwendung des Begriffs „kriminelle Clans“. Das sei eine generalisierende Beschreibung für eine große Gruppe von Menschen, die sich einem Clan zugehörig fühlen, aber gar nicht kriminell sind. Das sei rassistisch, sagt er.


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Pelzer ist einer von mehreren an dem Projekt beteiligten Wissenschaftlern. Andere untersuchen Szenefelder, Täterstrukturen oder Präventionsansätze. Konkrete Ergebnisse sollen im April 2024 vorgestellt werden.