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True Crime Berlin: Der S-Bahn-Mörder – immer mehr Morde und ein tödliches Geheimnis

Bereits seit Monaten mordet der S-Bahn-Mörder in Berlin. Die Polizei steht vor einem Rätsel und greift zu äußerst ungewöhnlichen Mitteln.

© IMAGO / Gemini Collection

True Crime Berlin: Der S-Bahn-Mörder – größter Kriminalfall der NS-Zeit

Im Berliner Osten treibt sich ein Jahr nach Beginn des Zweiten Weltkrieges ein Serientäter rum. Neben den Schrecken des Kriegsalltags kommt für die Menschen in Berlin-Lichtenberg die Angst vor der Dunkelheit und ihren Gefahren hinzu. Zwar ist in der Presse von dem später als „S-Bahn-Mörder“ bekannten Mann nichts zu lesen. Doch die Menschen nahe dem Bahnhof Rummelsburg und in Karlshorst haben von den Vorfällen gehört – und sie haben Angst. Alles dazu liest du im ersten Teil der Serie.

Wie man später weiß, gehen Anfang Dezember bereits Dutzende damals sogenannte „Notzuchtverbrechen“ (Vergewaltigungen), zwei Mordversuche und drei Morde auf sein Konto. Doch die Polizei tappt buchstäblich im Dunkeln. Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen 1940 dann der nächste schreckliche Fund.

True Crime Berlin: Das Morden geht weiter

Obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Opfer – von denen drei verstorben sind – in S-Bahnstrecke-Nähe bekannt sind, wird der Tod von Elisabeth Büngener zunächst als „vermutlicher Selbstmord einer weiblichen Person auf Bahngebiet“ gewertet, das geht aus der Polizeiakte hervor. Die ermittelnden Kriminalbeamte hatten ein ärztliches Gutachten über eine Depression in ihrer Tasche gefunden. Ihre Leiche wird am Morgen des 22. Dezember in den Gleisen der S-Bahnstrecke zwischen Berlin und Erkner zwischen den Stationen Friedrichshagen und Rahnsdorf gefunden. Doch dann ist schnell klar: Es muss sich um den gleichen Täter handeln. Die Handschrift ist die gleiche wie bei den angegriffenen und getöteten Frauen in der Gegend zuvor.

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Dieser greift in der Nacht immer Frauen an, die allein in einem Wagen der S-Bahn dieser Linie sitzen. Die meisten Männer befinden sich damals an der Front – die Frauen müssen die Arbeit ihrer Ehemänner übernehmen. Wo im Schichtdienst gearbeitet wird, müssen Frauen sehr früh oder sehr spät die S-Bahn nehmen – sie haben keine andere Wahl.

Nur eine Woche später der nächste Mord! Am 29. Dezember, nur kurz vor dem Jahreswechsel 1940/41 wird Gertrud Siewert (46 Jahre alt) schwerverletzt im Gleisbett zwischen den Stationen Karlshorst und dem Betriebsbahnhof Rummelsburg gefunden. Auch sie erliegt ihren schweren Schädelverletzungen.

Die Rolle der Gestapo

Die ermittelnde Kriminalpolizei kommt nicht weiter. Obwohl die Geheime Staatspolizei (Gestapo) offiziell nicht den Kriminalpolizisten vorgesetzt ist, hat sie doch das Sagen. Alle Akten gehen zunächst an die Gestapo – die gibt sie weiter an den Chef des Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich, der wiederum berichtet an Joseph Goebbels, Hitlers Propaganda-Minister. Weil dieser kein Aufsehen erregen will, dürfen die damals gleichgeschaltete Presse und der Rundfunk nicht über die Vorfälle berichten.

Links: SS-Obergruppenführer, General der Polizei und Leiter des Reichssicherheitshauptamts Reinhard Heydrich;
Rechts: Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels Foto: IMAGO/UIG;IMAGO/Gemini Collection

Ein Antrag der ermittelnden Kommissare wird abgelehnt. Auf Hilfe aus der Bevölkerung können die Kriminalbeamten nicht hoffen. Und so greifen sie zu einer besonderen Maßnahme. Zuerst schickt man männliche Bahnpolizisten und Beamte der Mordkommission zur Bewachung der Bahnhöfe und Züge auf der S-Bahnlinie nach Erkner. Dann werden zusätzlich weibliche Beamte der Berliner Kriminalpolizei hinzugezogen, die als Lockvogel agieren und den Täter auf frischer Tat erwischen sollen. Als der Erfolg auch hier ausbleibt, werden später männliche Polizisten in Frauenkleider gesteckt, die Waffe unter dem Rock parat für den Zugriff.

Fünf Männer in Frauenkleidung und eine Mitarbeiterin der Berliner Polizei sind auf dieser Fotografie zu sehen. Foto: Polizeihistorische Sammlung Berlin

Doch auch das bringt nichts – es scheint, als ob der Täter über die Aktionen der Polizei Bescheid weiß. Bereits zu Beginn der ersten Sicherheitsmaßnahmen liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei dem gesuchten Täter um einen Mann bei der Reichsbahn handelt. Dieser Verdacht soll sich immer mehr erhärten.

True Crime Berlin: Tatort, Tatwaffe, Tatzeit

Ein Bleikabel, welches im S-Bahn Waggon gefunden wurde, in welchem Elisabeth Bendorf im November 1940 angegriffen worden war, wird von der Spurensicherung als Tatwaffe identifiziert. Dieses Kabel hatte man ein Jahr zuvor auf der Strecke nach Erkner verlegt. Im Schuppen des Werkes in Rummelsburg lagert das Altmaterial. Es muss sich bei dem Gesuchten demnach um einen Eisenbahner handeln. Ein weiterer Anhaltspunkt für die Ermittler ist: Die Verbrechen finden zwischen 6 und 7 Uhr morgens und 23 und 0 Uhr statt – immer zum Schichtwechsel. Und dann wäre da noch der Betriebsbahnhof Rummelsburg, in dessen Nähe sich alle Tatorte befinden.


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Alle Reichsbahner werden überprüft, doch das dauert. Bevor Paul Ogorzow als S-Bahnmörder entlarvt wird, wird er noch Zeit haben, drei weitere Frauen umzubringen. Obwohl die Polizei den Hilfsweichensteller verhört, endet der Tag für ihn nicht im Gewahrsam. Er wird wieder an die Arbeit geschickt – und auch sein Werk als Mörder ist noch nicht beendet. Was den S-Bahnmörder am Ende zu Fall bringt, erfährst du im dritten Teil dieser Serie – hier geht es zum Artikel.


Verwendete Quelle: Phoenix-Dokumentation ‚Tatort Berlin – Der S-Bahn-Mörder von Rummelsburg‘ (Film von Gabi Schlag und Benno Wenz)