Der Späti im Kiez: Für viele Berliner fester Bestandteil des alltäglichen Lebens. Hier werden nicht nur Limos und Bier gekauft. Der Späti ist Begegnungsort. In ihm trifft man Freunde am Freitagabend und knüpft neue Bekanntschaften.
Besonders wichtig für die richtige Atmosphäre: Der Betreiber. Doch wer sind eigentlich die Menschen, die hinter den Tresen der Spätis stehen? BERLIN LIVE hat mit Kulturanthropologin Leonie Müller darüber gesprochen.
Die meisten Berliner Späti-Besitzer sind Einwanderer
Was macht einen guten Späti aus? Das Sortiment ist eher zweitrangig, ist sich Leonie Müller sicher. Wichtiger: „Aufenthaltsqualität, Atmosphäre und der Umgang der Gäste untereinander.“ Dafür sorgt vor allem der Betreiber. „Er ist entscheidend für die Rolle des Spätis und den sozialen Zusammenhalt der Kundschaft“, erklärt die Kulturanthropologin.
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Laut einer Studie aus 2023 haben 75 % der Späti-Betreiber Migrationshintergrund. In Berlin dürften es weitaus mehr sein. Schätzungen gehen von bis zu 90 % aus. Müller erklärt, warum: „Menschen eröffnen einen Kiosk oft auch aus einer Notwendigkeit heraus.“ Wenn die Bildungsabschlüsse in Deutschland nicht anerkannt werden, ist es eine Option sich selbstständig zu machen. „Ein Laden ist häufig der naheliegendste Weg, um Geld zu verdienen“, erklärt sie. Das Bedürfnis der Betreiber einen Begegnungsort zu schaffen, gebe es unter anderem aus dem Wunsch heraus, Anschluss in der Nachbarschaft zu finden.
„Der Laden ist wie das eigene Kind“
Oft sind Spätis in Berlin Ein-Personen-Betriebe. Im Durchschnitt haben Kioske zwei Mitarbeitende – nicht selten aus der eigenen Familie. Für das eigene Geschäft stehen sie häufig bis in den späten Abend hinter der Theke. „Der Laden ist ein Stück weit wie das eigene Kind“, macht Späti-Besitzer und Vorsitzender des Berliner Vereins Späti e.V., Tuncer Karabulut, im Interview mit der „taz“ deutlich. Doch das hat auch Nachteile. „Man muss auf vieles verzichten“, meint Karabulut.
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Die Belastung ist groß, der Output eher gering. Schätzungen zufolge kommen viele Kioske nicht über einen Jahresgewinn von 35.000 € hinaus. Hoher Konkurrenzdruck durch große Unternehmen und Gesetzgebungen wie das Sonntagsöffnungsverbot in Berlin stellen zusätzliche Hürden dar. Dabei sind Spätis für die Berliner Nachbarschaft wichtige „Fixpunkte“ und unbedingt bewahrenswert, macht Leonie Müller deutlich. Sie sieht in dem Späti-Besitzer einen „Gastgeber“, die Stammkundschaft ist wie Familie für viele. Trotz allem versuchen Späti-Betreiber wie Karabulut weiterzumachen. „Die Politiker sollten sich mal die Zeit nehmen und eine Woche lang in den Bezirken die Spätis angucken“, fordert er.