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Berlin und die Reichspogromnacht: Allein das ist eine Schande

Der 9. November ist historisch gesehen kein normaler Tag für Berlin. Doch in diesem Jahr wirkt die Lage besonders angespannt. Ein Kommentar.

Berlin
© imago images/Rolf Zöllner

Berlin: Das ist Deutschlands Hauptstadt

Berlin ist nicht nur Deutschlands Hauptstadt, sondern auch die größte Stadt der Bundesrepublik. Im Jahr 2022 wohnten 3,75 Millionen Menschen hier. Die Tendenz ist steigend. Zudem kamen im gleichen Jahr rund 10 Millionen Gäste für insgesamt 26,5 Millionen Übernachtungen in die Hauptstadt.

Der 9. November war in Berlin im vergangenen Jahrhundert nie ein normaler Tag. Kaum ein anderer ist im historischen Gedächtnis Deutschlands, aber vor allem Berlins, so aufgeladen wie dieser Tag im stets grauen und ungemütlichen November. An diesem Tag wurde 1918 gleich zweimal die Republik ausgerufen und 1989 die Berliner Mauer niedergestammelt.

Doch es war auch der Tag, an dem Adolf Hitler 1923 erstmals in München versuchte, die Macht an sich zu reißen und nach Berlin marschieren wollte – und 15 Jahre später Horden marodierender Deutscher durch die Hauptstadt zogen und dort Synagogen und jüdische Geschäfte plünderten, Menschen verschleppten, töteten und in den Suizid trieben. Mit dem 9. November geht immer ein ungutes Gefühl einher – und in diesem Jahr ganz besonders.

Antisemitismus in Berlin ist erschreckend aktuell

Denn in Berlin ist Antisemitismus ein erschreckend aktuelles Thema. Längst gibt es wieder jüdisches Leben in der deutschen Hauptstadt, was der Regierende Bürgermeister Kai Wegner nach der Shoah nicht grundlos als „Geschenk“ bezeichnete. Doch das jüdische Leben, das es in Berlin gibt, ist nicht sicher – und war es nie.

Das zeigte sich besonders in den vergangenen Wochen, als die Zahl der antisemitischen Straftaten deutlich anstieg. Dabei ging es nicht nur um Verunglimpfungen des Staates Israel oder judenfeindliche Schmierereien. Es ging um einen Angriff auf eine Synagoge in der Brunnenstraße mitten in Berlin. Um Davidsterne, die Hauseingänge jüdischer Berliner markierten. Es braucht keinen 9. November, um bei der artigen Taten an eine Zeit zu denken, in der nicht Israels Sicherheit, sondern die Vernichtung der Juden Deutsche Staatsräson war.

Berlin muss sich gegen jeden Antisemitismus stellen

Klar ist: Die Shoah war ein historisch einmaliges Verbrechen. Von vornherein hinkende Vergleiche erübrigen sich. Aber es gehört zur historischen Verantwortung Berlins, Stopp zu sagen. Wenn nach dem Massaker vom 7. Oktober Islamisten und Terror-Unterstützer Süßigkeiten in Neukölln verteilen, wenn der Holocaust in Flugblättern abgefeiert wird, wenn Verschwörungstheoretiker mit „Ungeimpft“-Stern durch die Straßen ziehen.


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Der Antisemitismus in Deutschland hat viele Gesichter. Und auch wenn es schön klingt, sind antisemitische Aktionen in Berlin eben keine Angriffe auf uns alle, sondern ganz konkret auf jüdisches Leben. Doch wir alle haben die Verantwortung, hinzusehen und dagegen aufzustehen. Diese Verantwortung haben wir jeden Tag – und ganz besonders am 9. November. Denn wenn an diesem Tag Jüdinnen und Juden in Berlin und Deutschland ihrer dunkelsten Stunde gedenken wollen, werden viele dabei Angst verspüren. Allein das ist eine Schande.