Messerangriff in Spandau, Prügelei in Schöneberg, Drohungen und Mobbing von Lehrern in Friedenau – Turbulente Monate liegen hinter Berlins Schulen. Monate, die geprägt waren von jeder Menge Gewalt durch Minderjährige und zahlreichen Polizeieinsätzen in oder rund um Schulen in der Hauptstadt.
Die aktuellen Sommerferien bieten allen die Möglichkeit, etwas runterzukommen und die Geschehnisse zu verarbeiten. Vergessen dürfte aber niemand die krassen Szenen, die sich ereigneten – und die auch im nächsten Schuljahr wieder an der Tagesordnung stehen könnten. Eine Gewaltexpertin fürchtet sogar eine Verschlechterung der Situation, sprich noch mehr Gewalt, wenn sich nichts tut!
Pandemie Hauptursache für zunehmende Gewalt an Schulen
Schon seit mehreren Jahren kommt es zu immer mehr Straftaten an Schulen in Berlin. 2019 verzeichnete die Polizei noch 1.755 Rohheitsdelikte, 2023 waren es 2.737. Ein enormer Anstieg, der vor allem einen Grund hat, wie Prof. Dr. Janine Neuhaus von der HWR Berlin weiß: die Corona-Pandemie.
Im Interview mit BERLIN LIVE erklärt sie: „Das war ein starker Auslöser mit Schulschließungen und Isolation während der Covid-19-Pandemie.“ Der Einbruch des Gewohnten, darunter der fehlende Kontakt zu Klassenkameraden habe die Schüler zutiefst verunsichert. Sie hätte dadurch stärker gelitten, als von der Politik zunächst angenommen.
Auch diese Faktoren spielen eine Rolle
Eine Schlussfolgerung, zu der die Expertin nicht nur aufgrund des Anstiegs an Körperverletzungen im Jugendalter kommt, sondern auch wegen der erhöhten Nachfrage nach Therapieplätzen bei Psychologen. In den letzten Jahren sei diese um über 40 Prozent gestiegen. Für die Expertin ist klar: „Ich sehe die Gewalt auch als ein Hilfeschrei der Kinder und Jugendlichen an den Schulen, dass es ihnen auch psychisch nicht gut geht.“
Allein die Corona-Pandemie sei an der Entwicklung aber nicht schuld. „Gewalt ist immer das Ergebnis einer Kumulation problematischer Faktoren.“ Und von diesen gibt aktuell so einige: die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, schlechte Vorbilder sowie Hass und Hetze in den sozialen Medien und die fehlende sachliche Auseinandersetzung mit Inhalten.
Expertin fordert: „Wir müssen Geduld haben“
Um den Kindern und Jugendlichen zu helfen, brauche es laut Frau Neuhaus vor allem eines: Aufmerksamkeit für die Heranwachsenden! Sie müssten lernen, Konflikte mit Worten auszuhandeln, sich sachlich auszutauschen und gegebenenfalls eine Korrektur ihrer Meinung vorzunehmen, wenn sie neue Informationen über einen Sachverhalt erhalten. Neben mehr Medienkompetenz in den Schulen in Berlin sei außerdem auch ein Ausbau der Schulpsychologie sowie eine Verzahnung verschiedener Akteure (zum Beispiel Jugendämter, soziale Vereine und Polizei) notwendig.
„Wenn wir jetzt nicht handeln, dann sehe ich da auf jeden Fall eine Verschlechterung der Situation“, betont sie und appelliert: „Wir müssen Geduld haben.“ Effekte durch Prävention sehe man nicht von heute auf morgen, sondern innerhalb der nächsten Jahre. Die Politik müsse langfristig planen, was sie laut der Professorin allerdings nicht tue. Dadurch komme es zu oft langfristig unwirksamen Maßnahmen.
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Die Herausforderungen sind groß. Solange die Ursachen nicht konsequent angegangen werden, bleibt Gewalt an Berliner Schulen nicht nur ein bedrückendes Thema, sondern bittere Realität. Eine Realität, die Lehrer, Eltern, Schüler – und nicht zuletzt die Politik – gemeinsam verändern müssen. Und zwar heute. Denn je länger die Ursachen nicht effektiv angegangen werden, desto länger werden die Folgen in Form von Gewalt spürbar sein.