Vor rund einer Woche (11. Mai) machte ein Polizist am frühen Morgen auf dem Weg zum Dienst eine erschütternde Entdeckung: Ein totes Baby auf dem Gehweg am Berliner Mauerweg in Neukölln. Für das kleine Mädchen kam jede Hilfe zu spät. Wie sich später herausstellte, soll es durch Fremdverschulden gestorben sein.
Die Hintergründe zur Tat sind weiter unklar. Wurde der Säugling von den eigenen Eltern umgebracht? Wusste sich die leibliche Mutter vielleicht nicht mehr anders zu helfen? Oder trat ein völlig anderes Schicksal ein?
Falls die Mutter mit der Situation überfordert gewesen sein sollte, hätte es eine Möglichkeit gegeben, das Leben des kleinen Erdenbürgers zu retten – wenn auch auf umstrittene Art und Weise.
Neuköllner Schock-Fund: Vielleicht hätte es anders laufen können
Die Rede ist von der Babyklappe. „Es ist eine etablierte Einheit, wo ein Kind sicher und anonym abgegeben werden kann“, erläuterte Prof. Dr. Michael Abou-Dakn, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am St. Joseph Krankenhaus in Berlin-Tempelhof, gegenüber BERLIN LIVE. Das Prinzip funktioniere weltweit auf die gleiche Art und Weise.
„Eltern in Not bekommen mit der Babyklappe die Möglichkeit, ihr Kind anonym in unsere Obhut zu geben, um so das Überleben des Kindes zu sichern“, betonte der Mediziner weiter. Vorbedingungen gibt es keine: „Das Entscheidende ist, dass die Mutter in dem Augenblick ihre Anonymität einfach wahren will.“ Das geschätzte Lebensalter der Kinder in der Babyklappe liege oftmals innerhalb der ersten zwei Monate.
Berliner Mediziner spricht von „seltenem Ereignis“
Das St. Joseph Krankenhaus in Berlin-Tempelhof ist die zweite Anlaufstelle in der deutschen Hauptstadt überhaupt, welche die Möglichkeit bietet, „Hilfesuchenden in einer gefühlt großen Aussichtslosigkeit einen Anker zu geben“. Inzwischen ist die Babyklappe seit mehr als zwanzig Jahren ein fester Bestandteil der Klinik. Über die genaue Anzahl der seitdem abgegebenen Kinder wird jedoch Stillschweigen bewahrt. „Selbst in den zwanzig Jahren, in denen ich jetzt hier bin, ist das aber wirklich ein sehr seltenes Ereignis“, verriet Prof. Dr. Abou-Dakn.

Wird ein Baby in die Klappe gelegt, ertönt rund zwei Minuten später ein Alarm auf der Intensivstation der Kinderklinik. In dieser Zeit soll der Mutter oder dem Paar ermöglicht werden, unbemerkt den Ort zu verlassen. Hin und wieder wird dem Knirps ein Kuscheltier mitgegeben. „Ein Brief wird selten dazugelegt, weil die Mutter natürlich verhindern möchte, dass Rückschlüsse auf sie gezogen werden können. Wir müssten, wenn wir Hinweise hätten, wer die Mutter ist, der Sache nachgehen“, so der Ärztliche Direktor gegenüber unserer Redaktion. Ohnehin werde der Fall aber strafrechtlich verfolgt.
Babyklappe in Berlin: Letzter Ausweg für Mütter in Not
Neben einem medizinischen Check des Kindes werden zeitgleich auch das Jugendamt und die Polizei verständigt. Ein Prozess, der den Weg zu einer möglichen Adoption ebnet. Sollte sich die Mutter kurze Zeit später doch noch umentscheiden, könne sie sich aber noch immer in der Klinik melden – auf diese Reaktion hoffe man sogar ein klein wenig. Selbstverständlich könne man dann gemeinsam über weitere Hilfen und Unterstützung sprechen.
Dass sich die Anzahl toter Kinder durch die Möglichkeit der Babyklappe verringert hat, lässt sich so aber nicht herleiten, wie Prof. Dr. Michael Abou-Dakn betonte: „Das hat eine ganz andere Dynamik, die mit ganz vielen Aspekten zu tun hat und stets sehr individuell ist. Oftmals sind es psychische Ausnahmesituationen der Betroffenen, die zu der Entscheidung führen, ein Kind abzugeben.“
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Für die Babyklappe sieht Prof. Dr. Michael Abou-Dakn dennoch dauerhaft eine Zukunft – zumindest im St. Joseph Krankenhaus: „Für uns ist die Philosophie, dass wir sie weiterhin betreiben und über die Jahre sehen, ob sie weiterhin genutzt wird.“ Die Kosten zur Aufrechterhaltung seien relativ gering. „Aber wir haben wenigstens eine Möglichkeit geschaffen, wenn man alle anderen Wege nicht findet“, stellte der Arzt abschließend klar.