Wer schon einmal in einem Berliner Techno-Club war, für den sollte eines eigentlich Konsens sein: Filmen und Fotografieren ist tabu. In den meisten Clubs muss die Feiercrowd dafür die Handykamera abkleben. Doch offenbar haben das einige in der neuen Partygeneration völlig vergessen.
Auf dem „Feel Festival“ am Bergheider See in Brandenburg vergangenes Wochenende wollte ich eigentlich ausgelassen feiern und tanzen, aber eines hinderte mich daran: Andauernd holten Festivalbesucher ihr Handy raus, machten Selfies und filmten in die Menge. Auch auf mich. TikTok hat die Berliner Clubszene verändert – und zwar nicht zum Guten.
Filmen im Berliner Club – eigentlich ein No-Go
Zelt, Dosenbier und Campingstuhl sind eingepackt, die Stimmung ist ausgelassen. Meinen Freunden und mir stehen fünf Tage Festival bevor. Mit dem Bassliner geht es raus aus Berlin. Nach Brandenburg an den Bergheider See. Mein erstes Mal „Feel Festival“. Die Location ist ein Traum, auch das Wetter spielt mit, die Musik ist gut und abwechslungsreich. Aber eines trübt die gute Stimmung.
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Denn vor allem jüngere Festivalbesucher holen beim Tanzen immer wieder ihre Handys raus und filmen – auch mich. Einfach ignorieren und weiterfeiern? Geht irgendwie nicht. Ich fühle mich unwohl, beobachtet und bin verwirrt. Ist es nicht allgemein bekannt, dass man auf Techno-Events nicht filmt? Von anderen Festivals dieser Art kenne ich das nicht und auch im Club gilt: Kamera aus.
Tatsächlich aber ist mir schon in den letzten Jahren und Monaten eine Veränderung in den Berliner Clubs aufgefallen. Mehr als noch vor vier Jahren ist das Motto plötzlich: Sehen und gesehen werden. Für mich ist der Zusammenhang eindeutig. TikTok hat die Berliner Clubszene verändert. Vor allem Trance ist unter den sogenannten „TikTok-Ravern“ beliebt. DJs wie MCR-T oder Kollektive wie Sachsen Trance gehen durch die Decke. Die Events, auf denen sie spielen, sind brechend voll – die Crowd ist anders als sonst.
Kein Safe-Space mehr
Es geht mir hier nicht um einstudierte Tänze oder extravagante Looks. Es geht mir um das Auftreten und Miteinander. Denn eine Crowd, die in jeder Sekunde bereit dazu ist, gefilmt zu werden und sich zu filmen, verhält sich anders als eine, die sich vollkommen fallen lassen kann. Die Menschen um mich herum kommen mir aufgesetzt vor. Dabei wäre es die Aufgabe der Türsteher, mit ihrer Auswahl ein gutes Miteinander zu kreieren. Einen Safespace ohne ständig gefilmt zu werden.
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Erst kürzlich wurde mir auf Instagram eine Seite vorgeschlagen, die „geheime Aufnahmen aus dem Berghain“ präsentierte. Damit es diese Aufnahmen gibt, muss jemand heimlich gefilmt haben und ist damit bewusst in die Privatsphäre der Gäste eingedrungen, die sich hier eigentlich sicher fühlen. Was genau in den Aufnahmen zu sehen ist und ob sie auch auf TikTok landeten, weiß ich nicht.
Sicher ist aber: Für „TikTok-Raver“ geht es bei Techno um mehr als die Musik. Es geht um einen Trend, um den Look, und um die Wirkung nach Außen. Das Miteinander, der respektvolle Umgang, die allgemeine Verständigung darauf, nicht zu filmen und gemeinsam den Moment ohne Handy und ohne Kamera zu erleben, rücken dabei in den Hintergrund, dabei ist es genau das, was für mich und so viele andere die Berliner Club-Kultur ausmacht.