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Mehr als ein Late-Shop: Darum ist der Späti so wichtig für Berlin

Der Berliner Späti ist nicht nur Late-Shop, sondern sozialer Treffpunkt. Was ihn dazu macht und was ein guter Späti braucht …

© IMAGO/CHROMORANGE

Ein Bäcker ohne Bargeld?

Über 1.000 Spätis gibt es in Berlin – so viele wie in keiner anderen deutschen Stadt. Ob für die Brötchen am Sonntag oder das Feierabendgetränk, der Spätkauf um die Ecke (oder Kiosk, wie er außerhalb der Hauptstadt heißt) ist für viele Berliner eine feste Anlaufstelle.

Doch er ist noch viel mehr als ein kleiner Laden und Konsumort. Denn der Späti ist ein wichtiger sozialer Treffpunkt. Warum ist er so wichtig für das Zusammenleben in der Stadt und was ist das Geheimnis eines guten Spätis? BERLIN LIVE hat mit Kulturanthropologin Leonie Müller gesprochen.

Von Früh bis Späti – Berliner Kioske sind Kult

Ein typischer Späti in Berlin: draußen stehen Bänke und Tische, drinnen unzählige Kühlschränke mit Getränken, hinter der Kasse stehen die Betreiber. Trotzdem ist nicht jeder Späti auch sozialer Treffpunkt. Ob ein Berliner Späti dazu wird, hängt von vielen Faktoren ab. „Eine besondere Rolle kommt dem Betreiber zuteil“, erklärt Müller. Er ist nicht nur Verkäufer, sondern „Gastgeber.“ Müller berichtet von Gesprächen, in denen Aussagen wie: „Wir sind eine Familie“ oder „man kennt sich hier“, gefallen sind.

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Aber auch die Lage ist wichtig, erklärt Müller. Besonders in eng besiedelten Stadtteilen ist ein Bedürfnis für einen Begegnungsort da. Ein Späti ist dabei ein leicht zugängliches und niedrigschwelliges Angebot. „Dass man diesen Ort ansteuert, kommt erst einmal aus einem Bedürfnis heraus. Dass man dann immer wieder kommt, hängt mit den Betreibenden, aber auch einer wiederkehrenden Kundschaft zusammen.“

Für einen guten Späti ist das Sortiment zweitrangig

Der Späti ist ein globaler, aber auch ein lokaler Ort. So gibt es sie zum einen überall weltweit, zum anderen unterscheiden sie sich aber auch durch lokale Besonderheiten. In Berlin vor allem durch den Namen. Dieser ist ein „Ausdruck von lokaler Identität.“ Wie es auf der Seite des „Späti e.V.“ heißt, hießen die kleinen Läden in der DDR Spätverkaufsstellen. Als sich nach der Wende 1989 die Idee des Späverkaufs über ganz Berlin ausbreitete, etablierte sich nach und nach auch der Name Späti.

Dass die Spätis in Berlin so besonders sind, liegt aber nicht nur an der Bezeichnung. „In Berlin ist eine Besonderheit die infrastrukturelle Entwicklung. In den 1920ern wurde die Planung der Spätis in die Bezirksverwaltung ausgelagert. Die Bezirke hatten dann ein besonderes Interesse daran, Spätis als Begegnungsorte zu schaffen“, erklärt Müller. Heute ist das anders: Einen Späti kann in Berlin theoretisch jeder eröffnen.


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In den letzten Jahren lässt sich eine Trendentwicklung zum Späti beobachten. „An dichten besiedelten Stadtteilen ist das Bedürfnis nach den Orten größer.“ Das liegt auch daran, dass es Begegnungsorte in Innenstädten, wie zum Beispiel Kaufhof, nicht mehr gibt. „In Spätis findet sich die Bedeutung dieser sozialen Orte jetzt wieder“, so Müller. Der Späti ist also ein sozialer, aber auch urbaner Ort. Was einen guten Späti ausmacht? Für Müller ist das Sortiment eher zweitrangig. Viel wichtiger sind stattdessen „die Aufenthaltsqualität, die Atmosphäre, die Menschen und der Umgang miteinander.“