Putins Angriffskrieg auf die Ukraine ist nicht nur für die Menschen dort eine Katastrophe. Auch die Deutschen fürchten sich vor einer weiteren Eskalation des Konflikts, das wird in Umfragen immer wieder deutlich. Eine Gruppe, die im Diskurs jedoch oft wenig Beachtung findet, sind die Russen selbst. Diese stehen nämlich längst nicht mehr so geschlossen hinter ihrem Präsidenten, wie dieser annimmt. Damit bilden sie ein Potenzial, den Krieg zu beenden, das nicht unterschätzt werden sollte.
Schon gelesen? ++Putin und Xi: Wie gefährlich ist die Freundschaft wirklich für Deutschland?++
Putin ist mehrfach gewählt, keine Frage. Wie fair und demokratisch diese Wahlen aber abliefen, und wie viel Auswahlmöglichkeit bleibt, wenn beliebte Oppositionelle wie Alexej Nawalny ausgeschaltet werden, ist fraglich. Auch über den russischen Krieg und dessen Verlauf, so wie die Höhe der Opferzahlen wird nicht transparent berichtet, Medien bilden keine Kritiker des Kremls ab. Dennoch schwappen immer wieder Meinungsäußerungen der Russen über Putins Grenzen hinaus.
Angst vor Atom-Krieg: Haben die Russen endgültig genug?
Die jüngsten Erkenntnisse brachte eine Umfrage des Lewada-Zentrums, Russlands einziges unabhängiges Meinungsforschungsinstitut. Es zeigt einen klaren Stimmungswandel in der russischen Gesellschaft. Immer weniger Menschen befürworten Atomwaffen im Ukraine-Krieg, sie fürchten sie selbst. Nur noch 24 Prozent der Befragten finden einen Atomschlag gegen die Ukraine akzeptabel. Das sind 15 Prozentpunkte weniger als im November 2024.
Auch interessant: ++„Ich mag dich nicht, weil du schwarz bist“ – Wie salonfähig Rassismus heute wieder ist++
Gleichzeitig lehnen 65 Prozent einen solchen Einsatz ab. 73 Prozent der Putin-Gegner und 69 Prozent der Regierungskritiker lehnen Atomwaffen klar ab. Diese Ablehnung ist deutlich gewachsen. Unter den Atomwaffenbefürwortern sind besonders Männer, Moskauer und Putin-Anhänger zu finden.
Wer Informationen will, muss geschickt sein
Die Furcht vor einer Eskalation zum Nato-Krieg ist unter den Russen groß. 56 Prozent der Russen befürchten einen direkten Konflikt mit dem Bündnis. Durchaus zurecht, ihr Präsident Putin wirkt wenig deeskalierend. Vor allem 40- bis 54-Jährige, Bewohner von Mittelstädten und Putins Kritiker äußern diese Angst. Nur 31 Prozent sehen diese Gefahr nicht. Ältere Menschen sind deutlich entspannter. Das könnte auch mit dem Zugang zu Informationen zusammenhängen, die nicht vom Kreml beeinflusst sind. Diese erfordern nämlich oftmals ein gewisses technisches Geschick.
Eine Russin, die im deutschen Exil lebt, erklärte unserer Redaktion: „Gerade versucht die Regierung alle alternative Medienquellen zu blockieren und den Zugang dazu zu sperren. Allerdings besteht die Möglichkeit sich über einen VPN-Tunnel einzuschalten und die liberalen Medien, die in Russland nicht mehr tätig sein können, jetzt aber die im Ausland agieren, anzuhören. Auf Telegram gibt es mehrere Kanäle, die die richtigen Nachrichten überliefern und nicht die Propaganda.“
Putin verliert an innenpolitischer Unterstützung
Ebenfalls bemerkenswert: Viele Russen und vor allem Russinnen unterstützen Friedensgespräche mit der Ukraine. Zwei Drittel der Bevölkerung wünschen sich Verhandlungen. Das ist der höchste Wert seit zwei Monaten. Nur 31 Prozent wollen die Kämpfe fortsetzen. Die Aufmerksamkeit für den Krieg nimmt ab: Im Juni verfolgten nur 53 Prozent die Entwicklungen aktiv.
14 Prozent zeigen gar kein Interesse mehr am Krieg. Diese wachsende Gleichgültigkeit könnte Putin innenpolitisch schwächen. Denn er sieht die Nato weiterhin als Bedrohung. Putin warnt seit Jahren vor einer Ausweitung westlicher Einflüsse. Dies wird auch in russischen Medien immer wieder aufgegriffen. Dennoch schwindet die Begeisterung für seinen Kurs.
Mehr spannende Artikel:
Wer einmal Putin-Anhänger ist, bleibt laut der Umfrage loyal, aber die allgemeine Zustimmung bröckelt. Der Präsident steht vor der Herausforderung, seine Politik weiterhin zu legitimieren. Putin muss die Balance zwischen militärischer Härte und diplomatischer Vernunft finden. Andernfalls droht ihm ein weiterer Vertrauensverlust.